Mit einem großen Bahnhof sagten die Rheinauer am Dienstagabend in der vollbesetzten Stadthalle in Freistett ihrem scheidenden Bürgermeister ade. Für den als Brückenbauer gewürdigten Schultes gab es dabei eine handfeste Überraschung.

In einer gut dreistündigen Feier verabschiedeten sich geschätzt 500 Besucher am Dienstagabend in der Stadthalle von "ihrem" Bürgermeister Michael Welsche. Der 58-Jährige räumt zur Monatsmitte nach zweifacher Amtszeit das Feld für seinen Nachfolger Oliver Rastetter. Die Landräte Frank Scherer (Ortenaukreis) und Christian Dusch (Landkreis Rastatt), Acherns OB Klaus Muttach, Welsches Gambsheimer Amtskollege Hubert Hoffmann sowie weitere Redner blickten dabei aus ihrer jeweiligen Perspektive auf die vergangenen 16 Jahre zurück.

Ein Herz für Rheinau

"Mehr als 58 Millionen Mal hat Ihr Herz für Rheinau geschlagen", rechnete Hauptamtsleiter Thomas Bantel als Moderator an seinen Chef gewandt vor. Insgesamt 5840 Tage habe er die Geschicke seiner Heimatstadt geleitet.

Rheinaus erster Bürgermeister-Stellvertreter Frank Schadt bezeichnete Welsche als "Brückenbauer" – im eigentlichen Sinn mit Blick auf den in der zweiten Amtszeit realisierten Bau der Radwegbrücke über den Rhein, als auch übertragen. "Der Dienst am Bürger hatte für dich stets Priorität." Welsche sei stets "ein Verfechter des gesamtstädtischen Denkens" gewesen. In einer Bilderpräsentation wurde an Meilensteine aus Welsches 16-jähriger Amtszeit erinnert, darunter an den Spatenstich für das Schulzentrum, die Eröffnung des Friedwalds und die Jumelage mit Gambsheim.

Als "überzeugten Kommunalpolitiker" und "großen Freund der deutsch-französischen Zusammenarbeit" würdigte Landrat Frank Scherer Welsche. "Wir haben uns auch mal gestritten in der Sache, aber nie persönlich", verriet er. Welsche sei offen für Neues gewesen, meinte er und hob das Stadtentwicklungskonzept Rheinau 2023 und das "Leuchtturmprojekt Rheinau-Mitte" hervor. Ferner erinnerte er an die Aufstufung zum Unterzentrum 2017 ("das muss man erst mal hinkriegen"), die Hilfe für den Kreis in der Flüchtlingskrise 2015 und den vorbildlichen Radwegausbau an Kreisstraßen. "Du hinterlässt deinem Nachfolger eine intakte, attraktive Stadt."

Dass man auf interkommunaler Ebene gut kooperiert habe, bestätigte auch Acherns OB Klaus Muttach. Beispielhaft nannte er die Zusammenarbeit bei Feuerwehr, EWO und Gutachterausschuss. "Dein Urteil war treffsicher." Welsche sei es nie um die schnelle Schlagzeile gegangen.

Fast kabarettreif waren die launigen Grußworte von Gambsheims Bürgermeister Hubert Hoffmann. Vor 16 Jahren habe er "den lieben Mischel" an gleicher Stelle bei der Kandidatenvorstellung kennengelernt. Hoffmann hob die unter Welsches zweifacher Amtszeit gewachsene Freundschaft der "Rheinauer un de Gamsemer" hervor, die mit der Einweihung der Radwegbrücke und der Jumelage ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden habe. Als Dank ließ er eine Skulptur – zwei ineinander verbundene stehende Ringe – die zunächst mit der Europa-Fahne verhüllt waren, in die Stadthalle rollen.

Geschick und Empathie

Rheinaus Ehrenbürger Hans Weber berichtete davon, wie sein Heimatdorf Linx, das bei der Gemeindereform eigentlich lieber Kehl zugeordnet worden wäre, sich mit den Jahren immer mehr mit Rheinau identifiziert habe. Dafür habe auch Welsche mit viel Geschick und Empathie gesorgt. "Sie haben die Stadt lebens- und liebenswürdig, aber auch zukunftssicher gemacht."

Christiane Winter-Ludwig dankte stellvertretend für die 350 städtischen Mitarbeiter, für die er sich etwa bei Verabschiedungen bewusst und wertschätzend Zeit genommen habe. "Die Schule war stets Chefsache", befand Rheinaus Gesamtschulvorsitzender Torsten Huber. "Wir können uns sehen lassen, und das ist Ihr Verdienst", sagte er und überreichte Welsche ein mit viel Humor gespicktes "Abschlusszeugnis".

Dass der Bürgermeister "stets ein offenes Ort für die Vereine hatte", stellte Bernd Diebold als Vertreter der über 120 Rheinauer Vereine heraus.

Als "Stimme der Vergangenheit" meldete sich der aus Freistett stammende Landrat Christian Dusch, der selbst 12 Jahre im Rheinauer Gemeinderat saß, zu Wort. Parteipolitisch sei es anfangs keine einfache Zeit gewesen, erinnerte er an frühe Gepflogenheiten im Rat. Er selbst habe die Zusammenarbeit mit Welsche nicht immer als einfach empfunden. Doch seine "ausgleichende Art hat mich inspiriert und geprägt", bekannte Dusch, der dem Geehrten zu seinem nun "selbstbestimmten Terminkalender" gratulierte.

Ulla Eichhorn von der evangelischen und Rüdiger Kopp von der katholischen Kirche dankten Welsche und seiner Familie: "Ihr ward ein Segen für diese Stadt!"

"Blicke dankbar zurück"

Zum Schluss ergriff der Schultes selbst das Wort. Welsche sprach von "16 sehr intensiven Jahren meines Lebens, auf die ich dankbar zurückblicke", wobei er besonders seiner Frau Eliane sowie Tochter und Sohn dankte. Weltwirtschaftskrise, Flüchtlingskrise und Corona hätten die Stadt vor große Herausforderungen gestellt, "aber es ist uns gelungen, Rheinau sicher durch diese Krisen zu führen." 

"Ich habe mein Amt zu keinem Zeitpunkt nur als Job, sondern als Berufung verstanden", versicherte er. Welsche verwies auf seine selbstbestimmte Entscheidung, das Amt in neue Hände zu geben, und wünschte seinem Nachfolger alles Gute. Seine neue Freizeit wolle er verstärkt mit seiner Familie und Wohnmobil-Reisen verbringen. An seinem Amt als Kreisrat halte er vorerst fest. Wie es für ihn beruflich weiter geht, ließ er auch zu diesem Zeitpunkt offen.

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Auftritte

Mit peppigen Auftritten lockerten junge und gestandene Akteure das Programm auf. Zum Auftakt erfreute ein gemischter Kindergartenchor mit einem Lied das Publikum.

Ein gesangliches Ausrufezeichen setzte ein mit Sängern aus ganz Rheinau und darüber hinaus besetzter Erwachsenen-Chor mit dem Stück "We will rock you", in das auch die Gäste einbezogen wurden.

Blasmusiker aus allen vier Rheinauer Musikvereinen spielten mehrfach auf; beim Badner-Lied sang das Publikum lautstark mit. Zum Abschluss, bevor die Gäste zum Stehempfang geladen waren, marschierten die Musiker nochmals als Stimmungsmacher in die Halle.bru

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Welsche soll Ehrenbürger werden

Für eine Überraschung sorgten Annette Fritsch-Acar (CDU/FWG mit FDP), Klaus Kiefer (SPD/FW) und Stefan Seifried (IG Handel) als Vertreter des Gemeinderats. Für seinen außerordentlichen Einsatz verkündeten sie den Antrag des Gremiums, Welsche zum Ehrenbürger der Stadt Rheinau zu ernennen; er wäre damit der Zweite nach Hans Weber, dem diese Ehre zuteil wird. Das Publikum quittierte das mit stehendem Applaus.

Zuvor tauschte sich das Trio im neckischen Zwiegespräch über die menschlichen Züge von "BMW" (Bürgermeister Welsche) aus ("nie eine Sitzung ohne Krawatte), wobei anklang, dass Gemeinderat und Stadt-Chef es nicht immer ganz einfach miteinander hatten, aber beide Seiten sich zu schätzen wussten ("er ist mit Leib und Seele Bürgermeister") und Welsche viel erreicht habe.

Ortsvorsteher Andreas Pollok hatte im Namen der acht Dorfchefs besondere "Rheinau-Pralinen" mitgebracht.

 

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Text + Quelle:  Stefan Bruder / bo.de